Magazin 10/2021

Der Leib-Körper als ein nicht in Gesellschaft Aufgehendes – einige Facetten

Von Michael Schüßler

In seinem gerade bei Velbrück Wissenschaft erschienenen Buch Die Sprachen des Leibes und die Leiblichkeit der Sprache entwickelt Michael Schüßler eine, so der Untertitel: »Kritische Theorie des Körpers«. Dass seine Gewährsmänner Theodor W. Adorno und Alfred Lorenzer in ihren philosophischen, soziologischen oder psychoanalytischen Arbeiten stets auf die als Totalität gefasste Gesellschaftsformation des Spätkapitalismus reflektieren, mag zu dem Schluss führen, hier würden Leib und Körper als vollständig sozial determiniert gedacht. Dass diese Annahme weder den genannten Autoren noch dem Gegenstand gerecht wird, sondern der Leib-Körper nur zu begreifen ist, wenn (auch) seine Nichtidentität mit der Gesellschaft berücksichtigt wird, zeigt Schüßlers Buch eindrücklich. Für das Velbrück Wissenschaft MAGAZIN hat er einige Facetten des Verhältnisses von Leib-Körper und Gesellschaft in einem kurzen Text umrissen.

Der Leib-Körper lässt sich als ein Ensemble von Interaktionsformen beschreiben, durch das sich das Subjekt unbewusst, sinnlich oder bewusst mit seiner Materialität und seiner Natur in Beziehung setzt. Es formiert diese, richtet sie zu und vermittelt psychophysiologisch Gesellschaft im Subjekt. Trotzdem bleibt der Eigenleib mit dem Körper innerhalb der Gesellschaft ein widersprüchliches, widerstrebendes Moment. Die Verdinglichung bzw. die Rationalisierung der inneren Natur ist nicht total, auch wenn das Fortschreiten der Beherrschung eben jener inneren Natur, ihre Landnahme durch Technologien und technische Rationalität, qualitativ neue (und bedrohlich empfundene) Züge annimmt. Man denke nur an die Gentechnik, mit der versucht wird, ›das Leben‹ zu kartieren und in basale Gesetzlichkeiten der (inneren) Natur einzugreifen, um in einer teils völlig neuen Qualität den Rahmen der gesellschaftlichen Naturbeherrschung des biologischen Aufbaus auszuweiten.

 

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