Alevitische und alevitisierte Armenier

»Wir sind Jesus untertan, wir sind Ali verpflichtet«

  • Sprache des Textes: Deutsch
  • ca. 520 Seiten
  • broschiert
  • 22,2 cm x 14,0 cm
  • 1. Auflage 2026
  • erscheint: Frühjahr 2026
  • ISBN 978-3-7758-1436-2
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Beschreibung


Der Verfasser der UN-Völkermordkonvention Raphael Lemkin definierte »Genozid« nicht nur als physische Vernichtung, sondern auch als Grup-penverbrechen, bei dem ein Überleben ohne Preisgabe der eigenen Identität unmöglich ist. Das vorliegende Buch von Kâzım Gündoğan bestätigt Lemkins These auf eindrucksvolle Weise. Es zeigt am Beispiel der Geschichte der Armenier aus der ostanatolischen Region Dersim, was es heißt, infolge eines Völkermords die eigene ethnische und religiöse Identi-tät nicht länger bewahren zu können.

72 Interviews mit Menschen armenischer Herkunft in und aus Dersim sowie 12 Gespräche mit alevitischen Kurden und Zaza machen eine bis heute unbearbeitete und ungelöste Gewaltgeschichte sichtbar: den Völkermord von 1915 sowie die Massaker und Deportationen von 1937/38, die alevitische Kurden, Zazas und Armenier gemeinsam erlitten. Damit einher gingen auch die zwangsweise sprachliche und religiöse Assimilation der Armenier sowie der Leugnung ihrer christlich-armenischen Identität – eine Last, die über Generationen hinweg weitergetragen wird. Die Armenier, die bereits Aleviten waren oder zu Aleviten gemacht wurden, suchten nach verschiedenen Wegen, um zu überleben: sich von ihrer ethnischen Herkunft und ihrer Religion zu entfernen, gemischte Glaubensformen zu entwickeln oder nach Istanbul, Europa, in die USA und nach Australien auszuwandern und zum Christentum zurückzukehren.

Dieses Werk ist nicht nur für die internationale Völkermord- und Menschenrechtsforschung von Bedeutung, sondern auch für die allgemeine Leserschaft einschließlich der in Deutschland und den deutschsprachigen Ländern lebenden Migrantengemeinschaften aus der Türkei (Türken, Kurden, Aleviten, Armenier u. a.). Die ins Deutsche übersetzten Interviews bieten eine unverzichtbare empirische Grundlage, um die langfristigen Folgen jener Genozide zu untersuchen, die weder im Osmani-schen Reich noch in der Geschichte der Türkischen Republik rechtlich oder gesellschaftlich aufgearbeitet wurden. Ergänzt wird der Band durch drei Beiträge von Mihran Dabag, Tessa Hofmann und Ahmet Kerim Gültekin sowie ein Glossar, die eine Einführung in die Geschichte der Region und in die alevitische Tradition (Raa Haq) geben.

Kâzım Gündoğan


Kâzım Gündoğan

Kâzım Gündoğan ist Schriftsteller und Dokumentarfilmer mit alevitischem Hintergrund. Zusammen mit seiner Frau, der Regisseurin Nezahat Gündoğan, hat er Dokumentarfilme gedreht, die die Geschichte des Völkermords in der türkischen Region Dersim erzählen. Dazu gehören: Wenn der Munzur nicht fließt (2004), Zwei Bündel Haare – Die verschollenen Töchter Dersims (2010), O Zeit! (2013) und Die Kinder von Wank (2017).

Gündoğan war in diesen Filmen als Forscher und Produzent tätig. Als Autor veröffentlichte er die Bücher Die verschollenen Mädchen von Dersim (2012, İletişim Yayınları), Die Enkel des Mönchs – Die Armenier aus Dersim (2016, Ayrıntı Yayınları) und Alevitische und alevitisierte Armenier »Wir sind Jesus untertan, wir sind Ali verpflichtet (2022, Ayrıntı Yayınları). In diesen Büchern behandelt er die Auslöschung und Zwangsassimilation der armenischen, alevitischen, kurdischen und Zaza-Völker in Dersim.

Aufgrund politischer Unterdrückung und Verfolgung kam er 2017 mit seiner Frau und seinem Kind aus der Türkei nach Deutschland und stellte einen Asylantrag. In Deutschland setzt er seine Arbeit in den Bereichen Völkermordgeschichte, Trauma, Erinnerungskultur und Menschenrechte fort.