Magazin 06/2021

Medienanthropologie und die Zwischenlagen in der Soziologie

In Erinnerung an Bernhard Giesen

K. Ludwig Pfeiffer

 

I Schelsky und Konstanz (?)

Die Universität Konstanz wurde 1966 gegründet. 1965 brachte Helmut Schelsky seine Aufsatzsammlung Auf der Suche nach Wirklichkeit. Gesammelte Aufsätze zur Soziologie der Bundesrepublik heraus (hier zitiert nach der Ausgabe München: Goldmann 1979). Gibt es einen Zusammenhang? Ich konstruiere einen. Am 2. März 1984 erschien in der ZEIT ein Nachruf auf Schelsky von Dahrendorf, einem der Mitbegründer von Konstanz und der hiesigen Soziologie mit eben dem Titel »Suche nach Wirklichkeit. Nachruf auf einen bedeutenden Soziologen«. Trotz der kompromittierenden Vergangenheit Schelskys in der Nazi-Zeit, die Konstanzer Soziologen wie Luckmann und Soeffner zu schaffen machte, lobt ihn Dahrendorf, abgesehen von der in jedem Fall, im Titel angespielten hohen wissenschaftlichen Bedeutung, als noblen und fairen Mann. Ein Schelsky-Schüler, Horst Baier, wird in der Tat Soziologe in Konstanz. Inwieweit oder ob überhaupt Herrn Giesens Habilitation 1980 in Münster noch mit Schelsky zu tun hat, habe ich bisher nicht herausgefunden. Baier kannte ich nicht persönlich, obwohl sich unsere Jahre hier überschnitten. Er setzte wohl eher die engagierten Aspekte der Schelsky-Soziologie als dessen sozialepistemologische Komponente fort. Diese dürfte dem überraschend starken philosophischen Training (Fichte, auch mit der Dissertation über dessen Naturrecht von 1796, Schelling, mit allmählichem Übergang in Formen der Sozialphilosophie – James, Dewey, Hobbes) geschuldet sein, auf welches Schelsky in der »Einleitung« des Bandes (11) hinweist. Hingegen kenne ich einige Konstanzer Soziologen, die mit Schelsky insgesamt weniger oder gar nicht zu tun hatten, deren sozialepistemologische Perspektiven aber – und das funktioniere ich auch umstandslos zur Startrampe für das Thema Medienanthropologie um – auch Bewältigungsversuche, natürlich mit soziologischen Mitteln, des vom genannten Schelsky-Titel aufgeworfenen und bei ihm soziologisch motivierten Problems verstehen lassen: Luckmann, Soeffner, Knorr-Cetina und eben Giesen. Weiter zum ganzen Beitrag (PDF)