Schrift und Gesellschaft

Die Kraft der Inskriptionen in der Produktion des Sozialen

  • 1. Auflage 2017
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Erscheinungsdatum: 01.02.2017
  • Buch
  • 360 Seiten
  • 22.2 x 14 cm
  • ISBN 978-3-95832-105-2
lieferbar innerhalb von 2 Werktagen
Auf den Merkzettel

Beschreibung


Im vorliegenden Buch wird der Frage nach dem möglichen Zusammenhang zwischen Schrift und Verhalten nachgegangen, und zwar aus einer interdisziplinären Perspektive. An den philosophischen Problemlagen der Kraft der Sprache (Austin) ansetzend, werden Bedeutungsprozesse (Derrida) als Metaphern für die Produktion des Sozialen analysiert. Damit einher geht der Versuch, die hartnäckige, immer noch bestehende Schriftvergessenheit heutiger Sozialtheorie (am Beispiel von Habermas, Bourdieu und Butler) zu überwinden. Zwei Schriftparadigmen werden gegeneinander abgewogen, um die Rolle der Schrift in der Produktion sozialer Ordnung zu erklären: Ansätze des sogenannten Überlieferungsparadigmas der Schrift, nämlich die erste Generation der Schriftforschung (Havelock, McLuhan, Goody und Ong), das Mündlichkeits-Schriftlichkeits-Paradigma, Luhmanns Systemtheorie und die funktionale Pragmatik von Ehlich und Rehbein werden kritisch erörtert, um die Umstellung auf ein Dokumentationsparadigma der Schrift zu rechtfertigen, welches anhand von Bruno Latours Inskriptionstheorie skizziert wird.
Durch das vorgeschlagene Dokumentationsparadigma der Schrift wird einerseits das Verständnis der Schrift als Kommunikationsmedium zwischen Abwesenden, andererseits der konstitutive Individualismus-Bias der Schriftforschung definitiv verabschiedet. In den institutionellen Räumen, in denen Dokumente kollektiv erstellt werden müssen, gründet Schrift Sozialität; dort erbringt sie ihre Vergesellschaftungsleistung dadurch, dass Kognitionen, Wahrnehmungen, Interaktionen und die unterschiedlichsten sprachlichen und nicht sprachlichen Handlungen kraft des zu produzierenden Dokuments synchronisiert werden. Dies strukturiert das menschliche Verhalten, so entsteht soziale Ordnung.

João Paulo Bachur


João Paulo Bachur promovierte 2009 an der Fakultät für Philosophie, Linguistik und Geisteswissenschaften der Universität São Paulo (Brasilien), war von 2011 bis 2013 Gastwissenschaftler am Institut für Philosophie der Freien Universität Berlin und arbeitet heute als Professor für Politik und Sozialtheorie am Institut Brasília für Öffentliches Recht (Brasilien).

Pressestimmen


Schrift und Gesellschaft – ein Thema der Soziologie? Wie Joao Paulo Bachur zurecht feststellt: wohl eher nicht. Der sozialtheoretischen Befassung mit der gesellschaftlichen Bedeutsamkeit der Schrift ist, wenn man so möchte, auf merkwürdige Weise das Wasser abgegraben worden. Trotz der Vielzahl der sowohl alltagsnahen wie zentrale Bereiche der Gesellschaft berührenden Beispiele, die sich intuitiv denken lassen und die Bachur selber aufführt (23), wenn es um die Frage der Relevanz der Schrift für soziale Zusammenhänge geht, ist die Soziologie über die Schrift hinweggegangen und hat sich hastig ihren Nachfolgern zugewandt: den elektronischen oder digitalen Medien, dem Internet (21).
David Jöckel, Zeitschrift für Theoretische Soziologie 1/2018.