Reformierung des Menschen durch Stadtraumgestaltung

Eine Studie zur moralerzieherischen Strategie in Städtebau und Architektur um 1900

  • Erscheinungsdatum: 17.02.2016
  • Paperback
  • 384 Seiten
  • Fadenheftung
  • 22.2 x 14 cm
  • ISBN 978-3-95832-078-9
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Beschreibung


Um 1900 formierte sich in Städtebau und Architektur ein sozialpolitisches Handeln, das über die Ästhetik die sozialen Verhältnisse zu steuern beabsichtigte. Das Ziel der Stadtraumgestaltung war die 'Reformierung der Menschen' (Adolf Weber). Dieser Ansatz steht im Zentrum der vorliegenden Arbeit. Aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive untersucht sie die moralisch aufgeladenen Auseinandersetzungen um die soziale Stadtentwicklung und ihre Materialisierungen mit besonderer Berücksichtigung der Stadt Zürich. Sie schreibt damit die Geschichte einer Erziehung, die darin bestand, die Stadt als ›Schule‹ der Gesellschaft zu gestalten.

Das Credo kommunaler Instanzen war, über die massenhafte Bereitstellung spezifischer Wohnformen wie dem Siedlungsbau und über eine an heimatlichen Werten orientierte Architekturästhetik insbesondere die Klasse der Arbeiterinnen und Arbeiter zu bürgerlichen Verhaltensweisen zu erziehen. In diesem Rahmen und im Kontext einer rational planenden Wissenskultur bildete sich die Überzeugung heraus, über ›schön‹ gestaltete Stadträume zur Moralisierung gesellschaftlicher Verhältnisse beizutragen. Eine der Hoffnungen war dabei, dass Räumlichkeit erzieherische Wirkung über die Erfahrung ermögliche.
Das Buch rekonstruiert die Wissensgeschichte der moralerzieherischen Strategie in der Stadtentwicklung um 1900. Die Gestaltung des städtischen Raums wird als Prozess analysiert, der an den Schnittstellen zwischen wissenschaftlichem Wissen, Expertise und politischem Handeln angesiedelt ist. Auf theoretischer Ebene gerät Erziehung als Phänomen in den Blick, das eng an historische Situationen gekoppelt ist. Erziehungsphänomene sind in soziale Prak-tiken eingelagert und nehmen im diagnostischen Wissen um allgemeine Problemlagen materielle Formen an.

Martin Viehhauser


Martin Viehhauser, Dr. des., ist Professor für Allgemeine und Historische Pädagogik an der Fachhochschule Nordwestschweiz und Dozent an der PH Fribourg. Er studierte Pädagogik in Wien, Berlin, Rom und Buenos Aires und wurde 2014 an der Universität Fribourg (Schweiz) promoviert. Seine Forschungsschwerpunkte sind Erziehungsgeschichte und Erziehungstheorie, Historische Anthropologie und Science Studies.

Publikationen bei Velbrück: Reformierung des Menschen durch Stadtraumgestaltung

Pressestimmen


Die Arbeit gibt damit nicht nur einen Einblick in architektonisch-ästhetische Überlegungen der Jahrhundertwende, sondern auch in deren Verflechtung mit Vorstellungen innerhalb der Politik, der Wissenschaft und der Sozialreform. Viehhauser erlaubt damit einen auch theoretisch fundierten Blick auf die Stadt als Schule der Gesellschaft – eine Sichtweise, die über das konkrete Beispiel Zürich hinaus forschungsleitende Wirkung entfalten kann und sollte.
Thomas Lenz, International Journal for the Historiography of Education 2-2017.
Zusammengefasst legt Viehhauser mit seiner Dissertation eine vielschichtige Studie vor, die sowohl auf theoretischer wie geschichtswissenschaftlicher Ebene überzeugt. […]Es wäre wünschenswert, wenn seine grundlegenden Überlegungen zur Konzeption von Erziehung und ihrer Geschichte in Erziehungswissenschaft und historischer Bildungsforschung Resonanz erhielten.
Elija Horn, H-Soz-Kult, 13.11.2017.
Viehhauser zeigt, dass um die Wende zum 20. Jahrhundert eine heterogene Konstellation aus zumeist bürgerlichen Architekten, Städtebauern, Kunsttheoretikern und Politikern neue Konzepte entwickelte, Einzelgebäude und Stadtraum so zu gestalten, dass sie befriedend und ordnend auf (nationale) Kollektive wirkten. […] Viehhauser hat sich tief in die internationalen Fachdebatten der Periode eingelesen, deren Analyse er um die Sichtung von Unterlagen aus politischen Entscheidungsprozessen und der Städtischen Planungspraxis (in der Schweiz) ergänzt.
David Kuchenbuch, Neue politische Literatur Jg. 62 (2017).