Beschreibung
Wie ist der Ort der Vernunft in einer natürlichen Welt zu bestimmen? Diese Frage hat wörtliche und metaphorische Lesarten. Im wörtlichen Sinne kann die Vernunft schwerlich einen Ort haben, wohingegen wir als vernunftfähige Wesen zugleich in der natürlichen Welt situiert sind. Man kann aber sinnvoll nach dem logischen Ort der Vernunft fragen, also danach, wie sich die Rede über Vernünftiges oder potentiell Vernünftiges zur Rede über Natürliches verhält.
In der metaphorischen Lesart lautet die Frage, in welchem logischen oder begrifflichen Verhältnis Redeweisen über Vernunft, Geist, Bedeutung, gute Gründe, Normen etc. zu den Diskursen der Naturwissenschaften stehen, die ja höchst erfolgreich ohne diese Begriffe auszukommen scheinen. Der Naturalismus behauptet ein Erklärungsprivileg naturwissenschaftlicher Methoden. Nach Sellars und Quine sind die Naturwissenschaften in kognitiver Hinsicht das Maß aller Dinge, nämlich der einzig verlässliche Weg, Wissen über die Welt zu erlangen. Will die Philosophie dem szientifischen Naturalismus eine vernünftige Alternative entgegensetzen, so ist sie herausgefordert, die Eigenart philosophischer Erkenntnissuche zu verteidigen, ohne die beispiellose Erfolgsgeschichte der Naturwissenschaften zu leugnen.
Der Frage nach dem Verhältnis von Philosophie und Naturwissenschaft entspricht auf der Objektebene die nach dem Verhältnis von Vernunft und Natur. Vernunftfähige Wesen sind zwar mit all ihren Fähigkeiten Teil der Welt, doch es ist fraglich, ob und in welchem Sinne vernünftige Gründe, semantische Inhalte, Bewusstsein und Normen als Teil der Natur verstanden werden können. Will man den Begriff der Natur nicht jeglichen einschränkenden Gehaltes berauben, scheint er diese Zuordnung auszuschließen. Die an diesem Band beteiligten Autoren sind sich einig in dem Ziel, die Begriffe von 'Vernunft' und 'Natur' auf eine solche Weise zu entwickeln, dass die Frage nach der Ortsbestimmung eine sinnvolle Antwort ermöglicht, unabhängig davon, wie diese ausfällt.