Verhängnisvolle Spaltungen

Versuche zur Zivilisierung wissenschaftlichen Wissens

  • Erscheinungsdatum: 27.11.2009
  • Hardcover
  • 360 Seiten
  • 22.2 x 14 cm
  • ISBN 978-3-938808-73-3
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Beschreibung


Die wissenschaftliche Haltung gegenüber der Welt gilt als vorbildlich für die moderne Zivilisation. Oft wird von der modernen als einer wissenschaftlichen Zivilisation gesprochen. Wozu dann Versuche zur Zivilisierung wissenschaftlichen Wissens? Weil beispielsweise die medizinischen Menschenversuche im Nationalsozialismus oder die militärische Nutzung der Kernspaltung für ein Bild der modernen Wissenschaften als Werkzeuge des »Zusammenbruchs der Zivilisation« stehen. Manche Sozialwissenschaftler sagen sogar, eben der Zusammenbruch sei die Zivilisation. – Ein zutiefst gespaltenes Bild!

Solche gespaltenen und spaltenden Fragestellungen unterlaufend setzt dieses Buch in Mikrostudien und theoretischen Überblicken anders an: Es geht nicht mehr um die wissenschaftliche Haltung gegenüber der Welt, sondern um die wissenschaftliche Haltung in der Welt. Zivilisationsprozesse gehen durch Menschen hindurch, sie finden nicht nur zwischen, sondern auch in Menschen statt. So auch Entzivilisierungsprozesse. Beide – Zivilisationsprozesse und Entzivilisierungsprozesse – sind früh an Veränderungen des Sprechens ablesbar. Das Denken von Zivilisationsprozessen erfordert Zivilisationsprozesse des Denkens.

Dieser Zusammenhang ist nirgends besser sichtbar zu machen als an Reichweite und Grenzen der zivilisationstheoretischen und der wissenssoziologischen Arbeit von Norbert Elias. Elias selbst hat den Zusammenhang zwischen seiner Zivilisationstheorie und seiner Wissenssoziologie nicht ausgearbeitet. Waldhoffs Arbeit an der Wissenssoziologie als Zivilisationstheorie führt zwei bisher unverbundene Wissensströme zusammen.

Ausgangspunkt ist das Elias’sche Konzept von Engagement und Distanzierung. In diesem Modell geht es um menschliche Phantasie, die gesellschaftlichen Standards ihrer Kontrollen und die sehr unterschiedlich entwickelte Fähigkeit der Steuerung naturaler im Vergleich zu sozialen Beziehungen. Warum, fragt Elias, ist immer mehr menschlichen Gesellschaften mit dem historischen Durchbruch zu den Naturwissenschaften ein zunehmend klarer Blick auf natürliche Zusammenhänge geglückt, während ihr Blick auf gesellschaftliche Zusammenhänge noch immer von wenig kontrollierten Phantasien verhangen ist?

Hans-Peter Waldhoff


Hans-Peter Waldhoff

Hans-Peter Waldhoff ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich Sport- und Gesundheitssoziologie der Universität Göttingen. Er war apl. Professor für Soziologie und Sozialpsychologie an der Leibniz Universität Hannover und Gruppenanalytiker und  Lehrbeauftragter für Soziologie, Psychologie und Philosophie an einem Schweizer Bildungszentrum.

Publikationen: Eros und Thanatos, Eros und Thanatos als Triebkräfte des Denkens, Verhängnisvolle Spaltung

Pressestimmen


Eine reflektierte Syntheseleistung stellt dieses Buch selbst dar mit seinem sehr hohen Anspruch, soziologische, historische, sozialpsychologische und psychologische Entwicklungsprozesse auf dem Hintergrund von Elias’ Theorie zu interpretieren und dabei psychoanalytische Individual- und Kulturtheorie einzubeziehen. »Verhängnisvolle Spaltungen« kann auch als ein Versuch gelesen werden, die psychoanalytische Kulturtheorie weiterzudenken, das Unbehagen in der Kultur der Moderne zu begreifen und Einsichten zu eröffnen in Herrschafts- und Gewaltzusammenhänge der postmodernen Gesellschaften. Vom Kulturpessimisten Freud unterscheidet sich Waldhoff am ehesten durch einen gewissen Optimismus, der schon dem Begriff »Zivilisierung« durch sein grammatisches Aktivum eigen ist und der in sich die utopische Hoffnung birgt, gesellschaftliche Entwicklungen seien lenkbar in eine gewünschte Richtung und ermöglichten Wirkmächtigkeit.
Angela Moré, gruppenanalyse Vol. 21 (2011) Heft 2.
Der Autor, Soziologe und Gruppenanalytiker, legt hier ein spannendes Buch vor, das man wie einen >Reisebericht durch menschen-wissenschaftliche Landschaften< lesen kann. Ich schätze das Werk, weil es zum einen die wenig bekannte Begegnung zwischen Foulkes und Elias (auf immerhin 50 Seiten) beleuchtet und vor allem weil deutlich wird, dass systemisches Denken und Handeln frühe Wurzeln hat, gerade in der Praxis von Foulkes und stärker noch in den Arbeiten von Nobert Elias.
OSC, 2/10, Harald Pühl.