Velbrück Wissenschaft MAGAZIN
Wir präsentieren Texte und Podcasts unserer Autor:innen
Magazin 09/2003
Zugemutete Angebote, angebotene Zumutungen
(Politische) Aufklärung unter den Bedingungen von Ungewissheit
Talkshows sind eine der charakteristischen ›Erfindungen‹ einer massenmedial geprägten Moderne. Ihre Allgegenwart im Fernsehen verweist neben der vergleichsweise billigen und unaufwendigen Herstellung auf (neue) kognitive und soziale Problemlagen. Mit ihrer Serialität haben sich Talkshows von einer aus dem Alltag herausgehobenen zu einer lebensbegleitenden Öffentlichkeit verändert, an der jeder durch Knopfdruck teilhaben kann.1 Sie stehen im Zeichen einer vielfach diagnostizierten Veröffentlichung des Privaten, ja, des Voyeurismus wie eines Wandels der Politik von einer Teilhabe- zu einer Zuschauerdemokratie. Sie reflektieren aber auch gesellschaftliche Erfahrungen von ungewisser und unsicherer Zukunft, wie sie in den letzten Jahren unter Stichworten wie Desorientierung, Unübersichtlichkeit, Risiko in einen öffentlichen Diskurs eingegangen sind, der zunehmend in mediengerechten Inszenierungen stattfindet. Talkshows übernehmen die Funktion traditioneller (Vermittlungs-)Institutionen, wie Kirche, Nachbarschaft, Stammtisch und Familie, in denen Selbstvergewisserung, Aufklärung und Beglaubigung bislang stattfinden konnten. Zum vollständigen Artikel (pdf)
Magazin 09/2003
Eine neue Frankfurter Schule
Zum 100. Geburtstag Theodor W. Adornos
Zum 100. Geburtstag des Frankfurter Soziologen und Philosophen Theodor W. Adorno ist auch zu fragen: Wer kann sein Erbe fortsetzen? Gibt es eine neue Linie der Frankfurter Schule? Jürgen Habermas hat schon früh eine eigene Richtung der kritischen Theorie eingeschlagen, die sich insbesondere in seiner »Theorie des kommunikativen Handelns« ausdrückt. Dieses vielbeachtete Werk gründet gerade nicht auf dem, was für Adorno im Zentrum gestanden hatte, nämlich auf lebendiger Erfahrung, die zur Dechiffrierung der inneren Sinnzusammenhänge bzw. Struktur-gesetze der Sachen selbst verhilft. Im Gegenteil: Habermas bleibt dem rationalistischen Erbe der Philosophie verhaftet; er geht immer schon von der Perspektive des rationalen Subjekts aus und versucht aus dieser seine Theorien zu entwickeln. Demgegenüber weist das interdisziplinär ange-legte Werk des Frankfurter Soziologen Ulrich Oevermann, das sich über die Sozialisationstheorie und -forschung, die Gesellschaftstheorie, die Religionssoziologie, die Ästhetik, die Kunst- und Musiksoziologie bis hin zu den Neurowissenschaften erstreckt, eine tiefe innere Verwandtschaft mit Adornos Denkungsart auf. Der Sache nach führt Oevermann grundlegende Gedanken und theoretische Überlegungen Adornos fort und hebt sie auf eine erfahrungswissenschaftliche Ebene. Zum vollständigen Artikel (pdf)
Magazin 06/2003
Kultur des Wissens – natürlich begrenzt?
Der Naturalismus hat die öffentliche Meinung nicht nur erreicht, er hat sie in einer konzertierten publizistischen Aktion besetzt. Das deutsche Zentralblatt für Evolutionsbiologie, Genom- und Hirnforschung – ich spreche vom „SPIEGEL“ –, darin assistiert von anderen Zeitungen, hat die Kultur zum Naturgegenstand erklärt, ungeachtet der geisteswissenschaftlichen Angebote dieser Blätter.
Direkter Anlaß für diese Bemerkung ist ein Interview (SPIEGEL Nr. 33 vom 12.8.2002) mit dem Primatenforscher Frans de Waal („Tierkultur und Menschennatur“) zum Erscheinen seines Buches „Der Affe und der Sushi Meister. Das kulturelle Leben der Tiere“ als deutsche Übersetzung eines englischen Originals. (Der Titel verweist auf die Ähnlichkeit eines Lernens der Tiere durch Beobachtung von Artgenossen mit dem (angeblich untätigen) Lernen, das als Beobachten des Sushi-Meisters durch seinen Lehrling stattfindet.)
[...]
Um die Suggestion zu vermeiden, hier handle es sich um eine Art amerikanischer Verschwörung, läßt sich dieses publizistische Konzert auch um deutsche Stimmen erweitern. Gerade in Tages- und Wochenzeitungen äußern sich gerne angesehene deutsche Naturwissenschaftler, deren Imponierkulisse von der Präsidentschaft der DFG, der Max-Planck Gesellschaft oder des Hansekollegs bis zum Nobelpreis in Biologie reicht. Auch hier exemplarisch zwei Autoren: G. Roth, W. Singer (vgl. Literaturverzeichnis)
Nimmt man schließlich die Wirkung von Wissenschaftsmagazinen im Fernsehen hinzu, die ebenfalls exklusiv auf naturalistische Positionen fixiert sind, so darf ein erheblicher Einfluß auf die Öffentlichkeit angenommen werden, der seinerseits nicht ohne Rückwirkung auf Wissenschaft und Philosophie bleibt. Zum vollständigen Artikel (pdf)
Magazin 06/2003
Das Dilemma des Identitätspostulats
Systeme« findet sich dagegen bislange nur eine kognitionspsychologisch nachjustierte Adaption der bewusstseinsphilosophischen Identitätstheorie (Psyche = Bewusstsein), die über weite Strecken der Subjektphilosophie entlehnt wurde und daher in einer Theorie, die mit der Subjektphilosophie bricht, problematisch wirken muss. Zugleich wird damit die Möglichkeit verspielt, die Psyche als ein intern differenziertes System zu beschreiben, denn das Bewusstsein »kennt« keine Subsysteme. Eine systemtheoretisch sicherlich nicht wünschenswerte Einschränkung, die bei einem Verzicht auf das Postulat von der Identität von Psyche und Bewusstsein vermieden werden könnte. Zum vollständigen Artikel (pdf).