Magazin 08/2021

Gegen mich andenken

Von Priya Basil

ERSTE ABSÄTZE

Aus dem Englischen von Beatrice Faßbender

»Du kannst einfach nichts schreiben, ohne Hannah Arendt zu zitieren!«, hat eine Freundin mal gescherzt. Das stimmt. Arendt steckt in all meinen Texten, selbst dann, wenn sie nicht ausdrücklich erwähnt wird. Umso beunruhigender war die plötzliche Erkenntnis, nach einem Jahrzehnt des Denkens mit ihr, dass Arendts Ansatz – und damit auch mein eigener – etwas grundsätzlich Problematisches barg.

»Ich begreife jetzt, dass ich die Komplexität der Situation einfach nicht verstanden habe.« Dieser Satz stammt aus einem Brief, den Hannah Arendt 1959 an den Schriftsteller Ralph Ellison schrieb, der, wie viele andere auch, ihre Überlegungen zu »Little Rock« kritisiert hatte. In diesem Essay über die Abschaffung der Rassentrennung an Schulen hatte Arendt die race-bezogenen Verhältnisse und die Natur des Bürgerrechtskampfes in den USA völlig falsch eingeschätzt, und öffentlich weigerte sie sich, ihre Meinung zu revidieren. Doch die Tatsache, dass sie ihren Irrtum im Privaten zugab, hallte in mir nach, ebenso wie ein Gedanke, der mich inzwischen quälte:

Hannah Arendt – rassistisch? Ein Gedanke, der irgendwo zwischen einer unvollständigen Frage und einer unfertigen Aussage in der Schwebe blieb; ein Gedanke, der die Ambivalenz, die Unsicherheit, die Beklemmung einfängt, die viele von uns erfasst, wenn wir uns mit Rassismus auseinanderzusetzen haben. Weiter zum ganzen Beitrag (PDF)