Die Transformation der Kulturtheorien - Studienausgabe -

Zur Entwicklung eines Theorieprogramms. Mit einem Nachwort zur Studienausgabe 2006

  • Erscheinungsdatum: 10.12.2012
  • Buch
  • 720 Seiten
  • Fadenheftung
  • 22.2 x 14 cm
  • ISBN 978-3-938808-20-7
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Beschreibung


Die westlichen Sozialwissenschaften haben im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts einen weitreichenden cultural turn vollzogen. Sie haben sich zunehmend zu 'Kulturwissenschaften' entwickelt, deren Grundannahme lautet, dass die soziale Welt durch symbolische Ordnungen konstituiert ist. Andreas Reckwitz zieht im Rahmen seiner theoriesystematischen und theoriehistorischen Studie eine vorläufige Bilanz des kulturtheoretischen Programms in den Sozialwissenschaften.
Dabei geht es darum, systematisch zu klären, was das Spezifikum und die Attraktivität der Kulturtheorien im Vergleich zu traditionellen Versionen der Sozialtheorie ausmacht. Und es geht darum, die Struktur und die Entwicklung des Feldes höchst unterschiedlicher Optionen und Versionen moderner Kulturtheorien zu rekonstruieren, um die bislang eher diffus scheinenden Gemeinsamkeiten, Defizite und Vorzüge zwischen den verschiedenen Theorieschulen durch eine übergreifende Interpretation der kulturwissenschaftlichen Theorieentwicklung im ganzen transparent zu machen.
Im ersten Teil des Buches argumentiert Reckwitz, daß das Spezifikum der Kulturtheorien in einem Typus sozialwissenschaftlicher Handlungserklärung zu suchen ist, der sich von den klassischen Modellen des homo oeconomicus und des homo sociologicus unterscheiden läßt. Im zweiten Teil des Buches entwickelt Reckwitz anhand einer Serie detaillierter Interpretationen ausgewählter Autoren die These einer 'immanenten Transformation' des kulturtheoretischen Feldes. Er zeigt, daß sich die strukturalistisch-semiotischen Theorien einerseits und die phänomenologisch-hermeneutische Tradition andererseits in einer Konvergenzbewegung immer weiter angenähert haben.
Die Rekonstruktion der Entwicklung (neo-)strukturalistischer Kulturtheorien – von Claude Lévi-Strauss über Ulrich Oevermann, den frühen und den späten Michel Foucault bis zu Pierre Bourdieu – sowie eine parallele Rekonstruktion der Entwicklung phänomenologischer Kulturtheorien – vom frühen Alfred Schütz über den späten Schütz, Erving Goffmann, Clifford Geertz bis zu Charles Taylor – demonstrieren, wie in der Theorieentwicklung der Dualismus zwischen einer 'subjektiven Perspektive' und einer 'objektiven Perspektive' auf Sinnmuster schrittweise aufgegeben wird.
Die Theorie sozialer Praktiken, vor allem bei Bourdieu und Taylor, stellt sich am Ende als gegenwärtig leistungsfähigster Entwurf einer kulturwissenschaftlichen Neubegründung der Sozialtheorie dar.

»Wenn Schreiben Forschung wird« - Andreas Reckwitz im Gespräch mit Martin Bauer (Soziopolis)

Andreas Reckwitz


Andreas Reckwitz

Andreas Reckwitz, geb. 1970, 2020 Professor für Allgemeine Soziologie und Kultursoziologie an der Humboldt Universität zu Berlin. ist seit Professor für Kultursoziologie. Tätigkeiten in Forschung und Lehre in Cambridge, Berlin, Berkeley, London, Wien, Bielefeld und Heidelberg. Auszeichnung mit der Opus magnum-Förderung der Volkswagenstiftung (Laufzeit 2015- 2017). Seit 2015 Mitglied des Konzils der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) und Mitglied des Beirats des soziologischen Internet-Portals 'Soziopolis'.

Publikationen bei Velbrück: Die Transformation der Kulturtheorien, Das hybride Subjekt

Pressestimmen


Reckwitz (liefert) eine material- und anregungsreiche problemgeschichtliche Darstellung ausgewählter Stationen des strukturalistischen wie hermeneutischen Stranges soziologischer Theoriebildung (...). Reckwitz' Untersuchung (leistet) einen hilfreichen Beitrag in der aktuellen theoretischen Reorientierungsphase der Soziologie, bringt sie doch erstmals systematisch die französisch-strukturalistische und die angelsächsisch-hermeneutische Theorietradition miteinander ins Gespräch.
M. Endreß, Berliner Journal für Soziologie 12 (2002) 1.
Das Buch ist eine starke Leistung, verfolgt eine klare Linie, die insgesamt überzeugend ist. Sprache und Argumentationsgang sind prägnant, die Arbeit ist das Ergebnis einer intensiven Durchdringung des enormen theoretischen Materials. Der Darstellung ist diese Anstrengung jedoch kaum anzumerken, was sonst häufig nicht nur Dissertationen unlesbar macht. (...) Herausragend aus dem Stapel [kulturwissenschaftlicher] Bücher, die dem Rezensenten vorlagen, ist also das Buch von Reckwitz.
Soziologische Revue, Jg. 24, 2001.
Die zur Zeit wohl umfassendste und beste Bestandsaufnahme kulturwissenschaftlicher Theoriebildung (...) der umfassend angelegte Versuch, das gesamte Spektrum der heute koexistierenden Kulturtheorien unter systematischen wie historischen und entwicklungsdynamischen Gesichtspunkten zu rekonstruieren.
Thomas Anz, literaturkritik.de, Juli 2001.
Mit Reckwitz' Analyse des Transformationsprozesses der Kulturtheorien liegt ein vielschichtiges Werk vor, das auch für die Geschichtswissenschaft mehrere Verwendungsmöglichkeiten bereithält. Es vergleicht zahlreiche unterschiedliche kulturtheoretische Ansätze (...). Es zeigt auf, welche theoretischen Interpretationsansätze durch den Transformationsprozeß mittlerweile zu Recht als überholt gelten dürfen (...). Und es macht deutlich, daß sich die heutige Kulturtheorie mit guten Gründen vor allem als Theorie sozialer Praktiken etabliert hat, wovor sich auch die Geschichtswissenschaft nicht verschließen sollte. In diesem Sinne sei die Untersuchung von Reckwitz jedem Historiker nachdrücklich empfohlen.
Andreas Pecar, Humanities - Sozial- und Kulturgeschichte, 2. Oktober 2000.
Nehmen wir die hoffnungsvolle Prognose vorweg: Mit dem cultural turn ist es den Sozialwissenschaften gelungen, »gegenüber der Expansion des naturalistischen Denkens in der Neuzeit in die Offensive zu gehen«. Diesen cultural oder auch interpretive turn zeichnet das Buch sehr genau nach, freilich anhand einer These und einer Konstruktion, die auf den ersten Blick befremdlich wirken: Reckwitz bezieht in diese Entwicklung ausdrücklich den Strukturalismus mit ein, und zwar, indem er eine Konvergenzbewegung postuliert, die ihn wie die Sozialphänomenologie schließlich in einer »Theorie sozialer Praktiken« aufeinander zuführt. Diese These ist provozierend, aber was Reckwitz zu ihrem Nachweis anführt, ist in Sache und Stil höchst beeindruckend. (…) was bleibt, ist ein in Umfang und Qualität einem Handbuch adäquater Überblick über ein wichtiges Segment moderner soziologischer Theorien.
Hans-Dieter Gondek, Süddeutsche Zeitung, 3./4. Juni 2000.